Die 390 Mitarbeiter des Ledvance-Werkes in Eichstätt bangen um ihre Arbeitsplätze. Bis zuletzt haben viele von ihnen in Eigeninitiative an einem neuen Geschäftsmodell für die einstige Osram-Fabrik gearbeitet. Am Montag will der chinesische Eigentümer aber offenbar die Schließung durchsetzen.
07.08.2020, Münchner Merkur
von Corinna Maier
Garching/Eichstätt – Dass harte Zeiten kommen würden, war den meisten ehemaligen Osram-Mitarbeitern klar, als im März 2018 ein chinesischer Lichtkonzern die Mehrheit bei Ledvance übernahm. Ledvance heißt die Ausgründung des traditionellen Lampengeschäfts von Osram mit Sitz in Garching. Schon bei der Übernahme wurden Betriebsräte und Belegschaft hellhörig, denn die neuen chinesischen Besitzer wollten keinerlei Garantien für Arbeitsplätze und Standorte abgeben.
Wenige Monate später kam prompt der befürchtete Kahlschlag: Die beiden Werke in Berlin und Augsburg wurden geschlossen, 1400 von 2200 Arbeitsplätzen gestrichen. Allein in Augsburg mussten über 600 Beschäftigte gehen. Das dortige Werk, so hieß es damals, sei schlecht ausgelastet, die Schließung die wirtschaftlichste Lösung. Diese Botschaft haben sie in Eichstätt gehört.
Eigentlich sollte der Standort Eichstätt zum neuen europäischen Technologie- und Innovationszentrum des Konzerns ausgebaut werden. Das zumindest versprach die Unternehmensleitung damals. Daraus wurde nichts. Auf einer Betriebsversammlung in dieser Woche erfuhren die Mitarbeiter, dass ihr Werk womöglich geschlossen werden soll. Am kommenden Montag wird der Aufsichtsrat zusammentreten und über die Schließung entscheiden, hieß es aus Mitarbeiterkreisen. Bestätigt wird von Unternehmensseite weder die Aufsichtsratssitzung noch deren Tagesordnung. Auf Anfrage heißt es bei Ledvance in Garching lediglich: „Das kommentieren wir nicht.“
Die Enttäuschung unter den Mitarbeitern ist groß. Monatelang hatten zuvor Belegschaft, Betriebsrat, Gewerkschaft und professionelle Unternehmensberater an neuen Konzepten für den Standort gearbeitet, „mit viel Herzblut“, wie ein Beteiligter sagt. Von Aufbruchstimmung berichtet auch der Betriebsrat, auf dessen Initiative hin das Restrukturierungsteam zusammenkam. Die Standortleitung hatte 30 Mitarbeiter verschiedener Hierarchieebenen tageweise freigestellt, um eine neue Strategie zu entwickeln, die praktikabel und zugleich gewinnversprechend sein könnte, erklärt Markus Exler, Professor an der Fachhochschule Kufstein, der das Projekt von Anfang an betreute (siehe Interview unten). „Wir sind da sehr unternehmerisch vorgegangen.“ Auf jeden Fall hätte man eine Lösung finden können, die kostengünstiger als die Schließung des Werkes sei.
Vieles sei vorstellbar, meint auch Felix Schupp von der Geschäftsleitung der auf Restrukturierungen spezialisierten HLH Hamburg Innovation Holding, die ebenfalls an dem Prozess in Eichstätt beteiligt war. Statt Leuchtmitteln könnte man moderne Sensoren für Autos bauen oder Gleichstromanlagen für Akkus. Am Ende könnte die Eichstätter Restrukturieerungstruppe nicht nur einen Business- und einen Finanzierungsplan inklusive Landesmitteln vorlegen, sondern womöglich auch Investoren aus der Industrie, mit denen man ebenfalls bereits in Kontakt stehe. „Das Werk jetzt zu schließen, wäre Irrsinn“, sagt Schupp.
Welche Motive die chinesische Firmenleitung für eine Schließung haben könnte, kann man in Eichstätt nur vermuten. Wahrscheinlich gehe es darum, Überkapazitäten vom Markt zu nehmen, meint einer, der nicht genannt werden will. Dass der chinesische Lichtkonzern MLS mit der Ledvance-Übernahme in erster Linie einen Marktzugang in Europa suchte und ansonsten einen Konkurrenten loswerden wollte – diese Sorge hatten einige Branchenbeobachter von Beginn an.
„Ich fürchte, dass unser Engagement den chinesischen Eigentümer in keiner Weise interessiert“, meint Exler, der aber die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben hat. Schließlich würden seiner Schätzung nach sechs Monate und ein Budget in der Größenordnung von 100 000 Euro genügen, um den Standort Eichstätt zukunftsfähig zu machen – und hunderte von hochqualifizierten Industriearbeitsplätzen zu retten.
Quelle: Münchner Merkur Nr. 56 | Wochenende, 7./8. März 2020